Von Johannisberg bis Kiedrich
Startpunkt
Zielpunkt
Winzerhaus Johannisberg
Rosengasse 25
65366 Geisenheim
Bushaltestelle "Sonnenlandstraße"
65399 Kiedrich
Um auch dieses Mal gleich zwei Etappen des Rheinsteigs realisieren zu können, war ich für eine Nacht ins "Winzerhaus Johannisberg" eingekehrt. In diesem architektonisch recht originellen Gebäude hatte ich ein exklusiv wirkendes Giebelzimmer beziehen dürfen und war nun - nach einer geruhsamen Nacht - bereit für den nächsten Wandertag.
Punkt Glockenschlag um 5 Uhr 30 war ich abmarschbereit, und so ließ auch der erste "Wouw-Effekt" nicht lange auf sich warten. Denn kaum, dass ich eine Viertelstunde später inmitten der Weinberge wieder auf dem Trail stand, kam die Sonne hinter dem Horizont des malerischen Rheingaus hervor, so als hätte sie nur auf mich gewartet.
Schon bald erreichte ich Schloss Vollrads, das im Morgenlicht strahlte und sich harmonisch in die Weinberg-Atmosphäre einfügte. Dann folgte ein kurzer Schreckmoment, als plötzlich ein junges Wildschwein aus den Reben brach, gleich vor mir über den Weg flitzte und auf der anderen Seite wieder verschwand. Oje, dachte ich, wenn dich der Weinbergbauer erwischt! - und sah das arme Tier schon mit Rotkohl und Wacholderbeeren auf der abendlichen Schlachtplatte liegen.
Im "Gottestal" gelangt man über einen asphaltierten Weg zu "Kühns Mühle". Man umrundet den Hof, und langsam beginnt sich der Übergang von den Weinbergen in die sich nähernden Wälder abzuzeichnen. An einem Modellflugplatz und dem alten Jagdhaus Philippsburg vorbei, folgt man nun dem Waldsaum und kann sich auf der anderen Seite zugleich über tolle Fernblicke auf den Rhein und die Ortschaft Oestrich-Winkel freuen.
Hinter der nächsten Schutzhütte knickt ein schöner Pfad auf den 331 Meter hohen Susberg ab. Man wandert über die Anhöhe, bevor sich auf der anderen Seite ein weiterer Wechsel aus Wiesen, Wald und Feldern anschließt. Nach Überquerung einer Kreisstraße wendet sich der Rheinsteig gleich hinter ihr scharf nach links - ein Abzweig, der schnell übersehen werden kann. Der Weg führt in die Siedlung Rebhang und folgt dort einer Waldstraße bis zur Wegekreuzung am Unkenbaum, wo diese Etappe mit 362 Metern ihren höchsten Punkt erreicht.
Der Unkenbaum selbst, einst ein stolzes Naturdenkmal, liegt inzwischen gefällt am Wegesrand. Und ein Blick in sein Inneres bestätigt, wie sehr der schon damals begonnene Zersetzungsprozess fortgeschritten war. Nur sein gewaltiger Stumpf steht immer noch an Ort und Stelle und lässt auf die frühere Größe und Erhabenheit dieses Baumriesen schließen.
Nachdem die letzten Kilometer fast ausnahmslos durch einen leichten Anstieg gekennzeichnet waren, führt die Route nun wieder abwärts. Glücklicherweise wird der Hauptweg bald von einem kleinen Pfad abgelöst. Hinter einer Streuobstwiese intensiviert sich der Abstieg noch einmal - dann steht man vor Kloster Eberbach.
Obwohl sich die Anlage schon dezent durch das Blätterwerk der Bäume ankündigte, verschlug es mir dennoch die Sprache, als ich vor dem Tor des überraschend großen Gebäude-Ensembles ankam. An Wochenenden wohl oft überlaufen, präsentierte sich das weitläufige Gelände jetzt angenehm ruhig und verlassen. Allerdings um den Preis, dass noch keine Besichtigung möglich war. Wie zum Trost zieht sich der Rheinsteig jedoch auf einer Länge von fast einem Kilometer durch das ganze Klosterareal, bevor er es auf der anderen Seite durch ein Holztor wieder verlässt und an der Klostermauer entlang in den Wald zurück führt.
Dieser Weg entspricht übrigens der Originalroute des Rheinsteigs, und das war mein Glück. Denn man betritt hier ein spektakuläres Windwurfgebiet, vor dem - von der anderen Seite kommend - ein Schild derzeit ausdrücklich warnt und den Wanderer dort auf eine direkte Abkürzung zum Klostergelände schickt. So aber lernte ich den authentischen Weg kennen und kam damit in den Genuss eines der wildesten Waldabschnitte des Tages mit vielen umgestürzten und zu überkletternden Bäumen.
Während des weiteren leichten Aufstiegs begannen mich dann mit einem Mal unzählige Fliegen und Mücken zu bedrängen. Beide, so schien es, waren sich wohl angesichts fehlender Alternativen spontan darin einig geworden, es als einzig verbliebenen Leckerbissen mit mir versuchen zu wollen. Selten habe ich so penetrante kleine Plagegeister erlebt. Erst, als ich aus dem Wald heraus und wieder ins Licht der gleißenden Sonne trat, ließen sie von mir ab. So genoss ich den finalen Abschnitt über den Kiedricher Klosterberg hinunter und das erneut von Weinreben gesäumte Grünbachtal bis nach Kiedrich hinein.
Hier fand ich auch gleich meine anvisierte Bushaltestelle namens "Sonnenlandstraße", von der mich die Buslinie 172 in wenigen Minuten zum Bahnhof von Eltville brachte. Dort trat ich meine weitere Heimfahrt mit dem Zug an - und erreichte meine Heimatstadt Essen mit gerade mal einer Minute Verspätung. Möge noch einer sagen, die Bahn sei nicht pünktlich :-)
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