Von Kestert bis Sankt Goarshausen
Startpunkt
Zielpunkt
Bahnhof Kestert
Bahnhofstraße 6
56348 Kestert
Hotel Colonius
Bahnhofstraße 37
56346 Sankt Goarshausen
Der Zuweg von Kestert bis zum Rheinsteig misst nur 500 Meter, doch diesem extremen Steilhang sei Dank, war ich beim Erreichen der Kuhtränke schon auf Betriebstemperatur. Und auf der anderen Straßenseite setzt sich der Aufstieg gleich fort: Über ein Treppchen hoch geht es auf einen schmalen Wildwiesenpfad, wo die hochgewachsenen und taugeschwängerten Grashalme ausgiebig meine Beine kitzelten.
In Oberkestert erreicht man "Uschis Wanderstation", doch nach gerade einmal anderthalb Kilometer hatte ich verständlicherweise noch kein Pausenbedürfnis. So folgte ich dem anfänglich breiten Wiesenweg in einen Wald hinein und stieß dort auf den Pulsbach, dessen gleichnamige Pulsbachklamm eine ebenfalls lohnenswerte Alternative sein soll, wenn es darum geht, von Kestert aus den Rheinsteig zu erreichen.
Der zunehmend felsiger und anspruchsvoller werdende Weg verengt sich nun zu einem Pfad und folgt dem Hang weiter leicht aufwärts. Wenig später verrät ein Blick nach rechts über die dichtbewaldete Pulsbachklamm dann aber schon, wie groß der inzwischen erklommene Höhenunterschied tatsächlich wieder ist.
Angesichts des schroffer werdenden Geländes und den immer markanteren Steilwänden, die das Rheintal einschneiden, wuchs in mir aber noch eine weitere Empfindung. Nämlich, spätestens jetzt in der ultimativen Herzkammer des romantischen Mittelrheins angekommen zu sein. Schaut man auf die Ehrenthaler Werth hinunter und die bewaldeten Rheinhänge, ist das mehr als offensichtlich.
So windet sich auch der Pfad durch teils urwüchsige Hänge, bis man unvermittelt auf alte Spuren des Bergbaus stößt. Hier erinnert eine am Wegesrand stehende Lore an die Grube "Gute Hoffnung", die wegen an beiden Seiten des Rheins entdeckter Erzvorkommen von 1745 bis in die 1960er Jahre hinein betrieben wurde. Geht man an der Lore ein paar Schritte in den Wald, lässt sich sogar noch ein zugemauerter Stolleneingang entdecken.
Nun setzt der Weg zu einem Abstecher durch Felder und Hochwiesen an, doch ein Fernblick auf den Rhein bleibt auch hier vielerorts möglich. Das ändert sich erst beim Betreten des Waldes, der, zunächst einem breiten Forstweg folgend, ins Wellmicher Bachtal hinunter führt. Währenddessen tritt erstmals auch die Burg Maus in Erscheinung, die angesichts des fortwährenden Abstiegs immer höher aufwächst. Und plötzlich realisierte ich, den ganzen Weg auf der anderen Talseite absolut Rheinsteig-typisch ja wieder hinauf zu müssen zu ihr.
Ich folgte dem breiten Weg und träumte vor mich hin, folglich verpasste ich an einer unscheinbaren Biegung genau die Stelle, wo die Rheinsteig-Route urplötzlich in einen kleinen Pfad übergeht. Erst 200 Meter später stellte ich das fest, und lief den Weg noch mal zurück. Ja, das kleine Pfad-Intermezzo war es absolut wert.
Im Tal angekommen, streift man den Ort Wellmich, und tatsächlich dauert es nicht lange, bis der erwartungsgemäße Wiederanstieg beginnt. Bis zur Burg Maus (die sich in Privatbesitz befindet und nicht besichtigt werden kann) ist der Weg trotz seiner Steigung leicht zu begehen. Dort aber ändert sich das kolossal. Ein kleiner Pfad übernimmt und führt noch weiter in die Höhe, bis ein Schild mit der "Schönen Aussicht" auf einen absolut hochkarätigen Pausenplatz hinweist. Hier lag mir dann nicht nur Burg Maus, sondern gleich auch - wieder einmal - das ganze Rheintal zu Füßen.
Der spektakuläre Pfad, für den ein gewisses Maß Schwindelfreiheit erforderlich ist, windet sich noch ein wenig über die Felsen, bis das Landschaftsbild abrupt wechselt und ich mich ein weiteres Mal auf einer weiten, grasbewachsenen Hochebene wiederfand. Hier, über den Hühnerberg, führt der Weg an die etwas abseits gelegene "Fernblickschaukel" vorbei und erreicht wenig später die geradezu mondän anmutende Schutzhütte "Nochern".
Nun ist es Zeit für die Entscheidung, ob man für 150 Meter der offiziellen Rheinsteig-Route entsagt und sich dafür den Herausforderungen des Rabenack-Klettersteigs stellen will. Der eignet sich aber wirklich nur für Schwindelfreie, und Erfahrung im alpinen Klettern ist auch von Vorteil. Der Parcour geht über zahlreiche Steigeisen und Leitern bis auf die Felsnase des Rabenacks, wo plötzlich auch der Ort Sankt Goarshausen vorübergehend zum Greifen nah erscheint.
Auf den eigentlichen Rheinsteig zurückgekehrt, hätte jetzt nur noch der 500 Meter lange Abstieg nach Sankt Goarshausen angestanden. Denn hier, gleich am Bahnhof, befindet sich das eigentliche Etappenziel. Aber ich empfand es noch deutlich zu früh, mein Hotelzimmer zu beziehen. Und so machte ich mir spontan die Tatsache zunutze, dass die an dieser Stelle beginnende offizielle Königsetappe nach drei Kilometern noch einmal in den Ort zurückführt - und so für mich zu einer idealen Verlängerungsrunde wurde.
Also: weiter! Und bereits kurz nach dem Durchschnaufen setzte mit dem Luisenpfad dann auch schon ein neuerlicher Anstieg ein. Recht beschwerlich geht es einen bewaldeten Hang hinauf, dessen Aussichtspunkte - und in besonderer Weise der "Drei-Burgen-Blick" - für die vorangegangene Mühe entschädigt. Denn er bietet nicht nur eine tolle Sicht auf die gegenüberliegende Stromseite mit Burg Rheinfels und die fast schon aus dem Blickwinkel geratene Burg Maus. Nein: mit Burg Katz und dem von hier erstmals richtig sichtbar werdenden Loreleyfelsen lässt er auch die Vorfreude auf das, was mich morgen erwartet, schon jetzt ins Unermessliche wachsen.
Was nun folgte, war aber zunächst eine weniger schöne asphaltierte Straße an einem Wohngebiet entlang, doch der im Anschluss durch verwilderte Weinberge zurück ins Tal führende Pfad erwies sich glücklicherweise als ein weiteres kleines Abenteuer.
Zum zweiten Mal in Sankt Goarshausen angekommen, nur diesmal 700 Meter weiter östlich, war der passende Augenblick da, im Hotel Colonius einzuchecken. Das nämlich bietet nicht nur eine preiswerte Übernachtungsmöglichkeit, sondern auch ein passend für hungrige Wanderer dimensioniertes kulinarisches Angebot, das keine Wünsche offen lässt.
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