Von Friedland bis Filsen
Startpunkt
Zielpunkt
Bushaltestelle "Hohenrhein"
56112 Lahnstein-Friedland
Bahnhof Filsen
56341 Filsen
Das Abkürzen der Ruppersklamm-Etappe hatte mich vor die Wahl gestellt: Entweder ein weiteres Mal für nur zehn Wander-Kilometer an den Mittelrhein zu reisen - oder das bis Braubach fehlende Teilstück mit der kompletten Anschluss-Etappe zu verbinden. Klar, dass ich mich für Variante zwei entschied.
Damit wuchs mein heutiges Vorhaben dann auch auf deutlich lohnendere 25 Kilometer an. Im Lahnsteiner Ortsteil Friedland war mir aber gleich zu Beginn eine Baustelle im Weg. Zwar ist für den Rheinsteig hier eine Umleitung markiert, doch um einen auf der Karte spannend aussehenden Serpentinenpfad am Osthang des Mückekopfs nicht zu verpassen, versuchte ich schon vorzeitig auf die richtige Route zurückzukehren. Das gelang mir - dennoch fiel die Sicht ins Lahntal (selbst von der kleinen hölzernen Kanzel am "Friedrichssegen-Blick" aus) dem hartnäckigen Frühnebel zum Opfer.
So blieb denn auch Lahnstein weitgehend unsichtbar hinter mir zurück. Der Aufstieg aber hielt an und fand erst in "Lahnstein auf der Höhe" sein vorläufiges Ende. Hier dominierte ein Hotelkomplex samt riesigen Parkplatz; da war der anschließende kleine Waldpfad wesentlich interessanter, und noch viel mehr: die kurz darauf beginnende Aspich-Klamm.
Nein, sie ist bei weitem nicht so spektakulär wie die Ruppertsklamm, und dennoch beeindruckt das steil und tief eingeschnittene Bachtal an der linken Seite. Währenddessen führt der Weg gut begehbar abwärts bis in ein zu Braubach gehörendes Wohngebiet, wo der kleine Schlierbach neben der Wanderroute her plätschert. Den Ortsteil verlassend, geht es wieder hoch und kurzzeitig auf eine befestigte Straße, bis sich rechterhand mit dem "Felsenweg" die erste alpine Klettereinlage ankündigt.
Der Abstieg erfolgt über steiles und schroffes Gestein und ist mit Seilen gesichert, so dass die Passage eigentlich für jedermann machbar sein sollte. Während sich oben noch ein toller Panoramablick auf den Rhein und die Ortschaft Rhens zu seiner anderen Seite bietet, wartet am Fuß des Felsenwegs ein Waldgebiet, in dem der Pfad auch gleich schon wieder ansteigt - und hoch bis auf die "Kerkertser Platte" führt.
Hier dürfte es so manchem Wanderer den Atem verschlagen - mir jedenfalls ging es so. Das lag weniger an dem gerade erst bewältigten Aufstieg, sondern hatte vielmehr mit der plötzlichen und unglaublich schönen Aussicht auf die Marksburg zu tun. Ja, sie wirkt absolut majestätisch - seit dem 12. Jahrhundert hoch über dem Rheintal auf einem markanten Schieferkegel thronend - als einzig unbeschädigt gebliebene Zeitzeugin längst vergangener Epochen. Und sie wird nicht nur während des anschließenden Abstiegs nach Braubach, sondern auch auf dem weiteren Teil der heutigen Etappe immer wieder als unverwechselbare Landmarke bildprägend bleiben.
Braubach selbst ist ein absolut malerischer Ort mit wunderschönen Fachwerkhäusern - und auch offizielles Etappenziel auf der Rheinsteig-Route. Heute aber wurde er nur zu meiner Durchgangsstation - zu schön war das sonnige Wetter und zu groß mein Tatendrang. Statt mich also dem Bahnhof zuzuwenden, nahm ich den steilen und stufenreichen Anstieg zur Marksburg in Angriff. Aber selbst das Erreichen der Burg darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die eigentlichen Herausforderungen selbst hier noch bevorstehen.
So führt der Rheinsteig nun auf einen spektakulären Hangpfad, der einiges an Höhenmetern nachzulegen weiß. Dieser auch als "Zecherweg" bezeichnete Abschnitt führt geradewegs in das "Königreich Schattenbank", das (leicht hochtrabend) eine spartanische und schon ziemlich vermooste Sitzgelegenheit aus zwei Latten beschreibt. Und allenfalls dann Sinn ergibt, wenn man den zurückliegenden Anstieg in sommerlicher Hitze bestreiten muss und den großen Bedarf hat, der Sonne zu entfliehen.
Ab dieser Stelle nehmen die Waldabschnitte dann auch tatsächlich zu, und der anfangs breite Weg verengt sich im weiteren Verlauf zusehends. Während sich links bewaldete Hänge mit schroffen Felswänden abwechseln, reihen sich rechts viele tolle Aussichten auf den Rhein und die Ortschaften Spay und (bald sichbar werdend) Osterspai aneinander. Dann biegt der Pfad vom Rhein weg, um wenig später über einen Serpentinenweg in das Dinkholder Bachtal abzusteigen - womit der zweifellos spektakulärste Teil der heutigen Tour eingeleitet wird.
Im Tal, wo man auf einen alten Sauerbrunnen trifft, wird auch der Dinkholer Bach überquert."Dinkholder" steht aber nicht nur für Bach und Tal, sondern umfasst vor allem auch das abenteuerliche und höhenmeterreiche Waldgebiet rund um den Oberen und Unteren "Dinkholderberg". So geht es schon kurz nach der Bachquerung wieder hoch, und auch die Wegbeschaffenheit bleibt durchaus anspruchsvoll. Der Pfad windet sich immer weiter in die Höhe, bis man - zumindest derzeit - von einem riesigen, umgestürzten Baum ausgebremst wird.
Während querliegende Baumstämme auf dem Rheinsteig (und gerade heute) weiß Gott nichts Ungewöhnliches sind, ist die Lage an dieser Stelle deutlich prekärer. Ich jedenfalls fand keinen Weg hindurch, auch wenn ich relativ geübt im Überklettern derartiger Hindernisse bin. Aber auch oberhalb des Baumes sah es schlecht aus, und so versuchte ich es mit der Gegenrichtung: Ein Stück den Hang hinunter, wo ich tatsächlich auf vereinzelte Fußspuren traf. Die verrieten mir, dass ich zumindest nicht der erste war, der sich an dieser Stelle durchzuschlagen versuchte. Das gab mir Mut, während es galt, sich weiter querfeldein durch das störrische Geäst den mächtig steilen Hang hinauf zu kämpfen.
Vom Rheinsteig selbst war weit und breit nichts mehr zu sehen, und auch ein Blick auf mein Navi sagte mir, dass ich mich inzwischen weit von der eigentlichen Route entfernt hatte. Doch immer wieder verhinderte das undurchdringliche Gestrüpp, in die korrekte Richtung zurückkehren zu können.
Schon ziemlich außer Puste, kündigte das Navi dann einen Wanderweg an, der kurz darauf tatsächlich vor mir auftauchte und den immer noch aufsteigenden Hang unterbrach. Auf ihm hielt ich mich rechts und fand so in Kürze auf den Rheinsteig zurück. Fast wie bestellt, traf ich zugleich auch auf die Rheinsteig-Hütte "Osterspai", die ich durch meinen Umweg fast verpasst hätte und die sich sogleich zu einer sehr willkommenen Rast anbot. Und gerade nach der eben erst geendeten Plackerei war der phänomenale Rheinblick und auf Spay, Braubach und die Marksburg zurück mehr als begeisternd.
Anschließend führt der Pfad ein paar hundert Meter steil den Hang hinunter, bevor er deutlich abflacht. Tendenziell orientiert er sich nun wieder am Rhein, nicht ohne ab und zu ins Waldesinnere abzudriften, wo er den Wasenbach, den Heiligenbach und den Hinnerscht-Bach überquert. Zwischendurch wird die Idylle von einer kurzen Asphaltstrecke unterbrochen. Die aber führt mit der Florianshütte zu einer der luxuriösesten Rastplätze, die ich bisher am Rheinsteig angetroffen habe.
Nun folgt der (weiterhin schattige) Huberpfad, wo sich mittlerweile vor und hinter mir auch ein paar andere Wanderer tummelten. Wenn das aber schon Dienstags passiert, was mochte hier erst an Wochenenden los sein? Es gruselte mir bei der Vorstellung, und prompt hätte ich dabei fast den Rheinsteig-Pfeil übersehen, der in Richtung eines links hochgehenden, unscheinbar wirkenden Waldpfades wies. Und erneut spielte mir das Glück in die Karten, denn kurioser Weise war ich hier bereits wieder völlig allein.
Während die Blicke auf den Rhein nun deutlich seltener werden, bleibt der Waldpfad ein wahres Träumchen. Erst später machen die Bäume sonnigen Obstwiesen Platz. Hier strebt der Weg nun westwärts der "Bopparder Hamm" zu: jener größten und markantesten Schleife, die der Rhein während seines langen Weges von den Alpen bis zur Nordsee beschreibt. Er umfließt dabei auch das Örtchen Filsen, das den Wanderer an dieser Stelle mit der "alten Wachport" empfängt: Einem echten Kuriosum, denn ein mit einem Fachwerkhaus überbauter Torbogen ist architektonisch äußerst selten.
Von hier aus trennten mich nur noch wenige Schritte bis zum Bahnhof. Dann fiel mir plötzlich ein, dass ich heute (irgendwo bei Oberlahnstein) auch den sogenannten "Halfwaypoint" überschritten haben musste. Und damit nun dem südlichen Terminus des Rheinsteigs näher war als seinem nördlichen in Bonn."Halbzeit!" sagte ich zufrieden zu mir, und ich fühlte eine weitere Woge des Glücks.
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