Von Niederlahnstein bis Friedland
Startpunkt
Zielpunkt
Bahnhof Niederlahnstein
56112 Lahnstein
Bushaltestelle "Hohenrhein"
56112 Lahnstein-Friedland
Bei Lahnstein, wo mir am Steilhang des Lichter Kopfs noch vor zehn Tagen bei frühsommerlichen Temperaturen die Sonne auf die Haut geschienen hatte, herrschten heute Kälte, Dunst und tiefhängende Wolken vor. Was aber sonst schnell als Stimmungskiller gilt, entpuppte sich für unser heutiges Vorhaben als geradezu ideal, passte das Wetter doch perfekt zu der bildgewaltigen und geisterhaft schönen Kulisse der Ruppertsklamm.
Dank einiger Youtube-Berichte, die es von Rheinsteig-Wanderern über dieses Naturjuwel bereits gab, hatte ich mich gut in Stimmung bringen können. Und selbst mein Wolf zeigte, während er die eindrucksvollen Filme sah, plötzlich spürbar wachsendes Interesse, zumindest die Klamm kennenzulernen. Denn er ist alles, nur kein Wander-Enthusiast.
Also halbierte ich meine ursprünglich angedachte Strecke, die bis Braubach hatte führen sollen. Das erklärt einerseits die geringe Distanz von nur zehn Kilometern, brachte andererseits aber auch den Vorteil mit, sich viel intensiver mit der Ruppertsklamm als unbestrittene Hauptdarstellerin dieses Teilstücks befassen zu können. Und das kosteten wir aus.
In Essen gestartet, später in Köln und Koblenz umgestiegen, erreichten wir Niederlahnstein tatsächlich mit gerade einmal vier Minuten Verspätung. Doch der Anschlussbus, den wir gerade noch hätten erreichen können, fiel, statt uns planmäßig in die Nähe des Rheinsteigs zu fahren, einem Streik zum Opfer - von dem wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts wussten. So marschierten wir den nahezu identischen Weg durch die Wohngebiete hoch, den ich zum Schluss der vorigen Etappe nach Lahnstein bereits hinabgewandert war.
Auch als wir dann an der Weggabelung auf den Rheinsteig stießen, wo der Steilpfad des Lichter Kopfs in den breiteren "Alter Burger Weg" überging, war die Sicht auf das Lahntal noch von Nebel getrübt. Hier fanden wir am Wegesrand auch die Überreste einer hölzernen Eulenskulptur, die den Witterungseinflüssen wohl nicht mehr standhalten konnte und nun zerbrochen im Gras lag.
Wo der Rheinsteig schließlich nach rechts abbiegt, wandelt sich der bequeme Weg in einen anspruchsvollen Steig, der - Eselsweg genannt - über scharfkantiges Gestein einen extrem abschüssigen Berghang hinabführt - und dabei nicht nur von der "Friedland-Blick"-Liege aus eine Wahnsinns-Aussicht in das Lahntal und auf den Allerheiligenberg bietet. Doch um den Ausblick zu genießen, sollte man immer stehen bleiben - zu groß ist die Gefahr, auf dem gefährlichen Untergrund ins Straucheln zu geraten.
Am Fuß des Hanges geht es dann zunächst wieder ebenerdig weiter, bis an der linken Seite plötzlich hölzerne Stufen ins Blickfeld geraten. Die führen, und diesen kleinen Abstecher sollte man sich gönnen, zur noblen Rasthütte an der Uhuley hoch. Der markante Felsen selbst befindet sich nur wenige Meter weiter am Hauptweg, doch man sollte - auch wenn es schwerfällt - unbedingt der Versuchung widerstehen, an ihm herum zu kraxeln.
Der Weg bleibt gut begehbar, während aus der tief abfallenden Schlucht zur rechten bereits das Rauschen des Ruppertsbachs heraufdringt. An einer riesigen Rasthütte, die mit ihren Dimensionen auch einen Tanzsaal beherbergen könnte, trifft der Weg dann auf den Pfad, der nun in entgegengesetzter Richtung in die Klamm hinunter führt - und damit ein Wanderabenteuer einleitet, das wahrhaft seinesgleichen sucht.
So folgt die Route dem Ruppertsbach durch eine atemberaubende, wildromantische Schlucht, über wurzel- und felsenreiches Gelände, mehrere zum Teil verfallene Stege und nicht selten auch (alternativlos) mitten durchs plätschernde Wasser. Mehrfach wird der Pfad von hohlwegartigen Verengungen und steil aufragenden, moosbewachsenen Felswänden gesäumt. Dazu gilt mancherorts, seine Schritte konzentriert über schmale Felssimse zu lenken und das Sicherungsseil zur Hilfe zu nehmen, das sich an besonders kritischen Punkten anbietet. Trittsicherheit ist hier also genauso gefragt wie wasserdichtes Schuhwerk - sofern man im wörtlichen Sinn nicht baden gehen will.
Doch auch bei aller gebotenen Wachsamkeit für die eine oder andere Tücke: die idyllische Atmosphäre überlagert sie stets und bleibt allgegenwärtig. Wie gruselig hatten erst kürzlich die Worte eines Youtubers geklungen, als der in seinem Bericht vor "regelrechten Kolonnen" und Heerscharen von Wanderern warnte, die sich an Wochenenden und Feiertagen den Rheinsteig entlang schoben - besonders in derartigen Hotspots. Jetzt wirkte die Ruppertsklamm dagegen so, als seien wir tatsächlich in eines von Grimms Märchen geraten. Ein Genuss, der sich so wohl nur an Tagen wie heute erfüllt, an dem wir die Klamm (was für ein Glück!) ganz für uns alleine hatten.
Dort, wo der Ruppertsbach die Idylle verlässt, indem er in einen künstlichen Tunnel abfließt, sind kurz zuvor auch die spektakulären Passagen zu Ende gegangen. Bald passiert man das Eingangsschild zur Schlucht, bevor die anschließend auftauchende Bundesstraße dann schon fast wie ein Kulturschock wirkt. Der aber hält glücklicherweise nicht lange an, da nun die Lahn ihren großen Auftritt hat. So führen die letzten Schritte durch den Westerwald an einem kleinen Jachthafen vorbei, bevor man jenseits der "C. S. Schmidt-Brücke" auf der anderen Lahn-Seite im Taunus ankommt.
Hier, an der Haltestelle "Hohenrhein", warteten wir dann (nach wie vor nichts von dem Streik ahnend) ein zweites Mal vergeblich auf den Bus, bevor wir uns auch der drei letzten Kilometer bis in das Ortszentrum annahmen - und uns im "My My Lahnstein" mit vietnamesischen Köstlichkeiten verwöhnen ließen.
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