Die Hermannshöhen (10) Die Bleikuhlen, Via Regia und die Irminsul



Samstag,
05.11.2022

Kilometer
16,1

Höhenmeter
651

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Dass es sich bei der letzten Etappe der Hermannshöhen nur noch um ein gemütliches Auslaufen handelt, sollte man besser nicht glauben. Auch wenn sie mit 16 Kilometern die kürzeste ist und es auf der Strecke überwiegend bergab geht - an einigen Stellen ist auch sie noch einmal richtig fordernd. Um so schöner, dass diesmal nicht nur Kevin, sondern auch unsere beiden besseren Hälften Julia und Wolf mit von der Partie waren.

Schon kurz nach dem Aufbruch an der Altenauquelle in Blankenrode erreichten wir das Naturschutzgebiet der Bleikuhlen und des Wäschebachtals. Wegen der hohen Konzentration von Schwermetallen im Boden ist die Vegetation hier sehr karg, aber einige Flechten und Moose schafften es, den lebensfeindlichen Umständen zu trotzen. Und das leuchtend blaue "Westfälische Galmeiveilchen" gibt es weltweit tatsächlich nur an diesem einzigen Ort.

Nachdem wir im Anschluss die unsichtbare Grenze zwischen Ostwestfalen-Lippe und dem Sauerland überquert hatten, empfing uns südlich der A 44 ein in allen Farben leuchtender Herbstwald. Hinter einer Rasthütte öffneten sich die dichtstehenden Bäume nach Süden hin und ließen tolle Panoramablicke zu.

Nach etwa einem Drittel des Wegs näherten wir uns, malerisch in einem Talkessel gelegen, dem schon zu Marsberg gehörenden Oesdorf. Wir durchquerten den Ort, und kaum hatten wir ihn verlassen, ging es auf der anderen Seite auch schon wieder die Hügel hinauf.

Ein weiterer schöner Waldweg führt hier auf den nächsten Panoramaabschnitt zu. Und der bietet bereits einen ersten eindrucksvollen Blick auf den Eresberg samt Obermarsberg auf dessen Plateau. Dort, an der Stiftskirche "St. Petrus und Paulus", würde schon in wenigen Stunden nicht nur unsere heutige Tour, sondern auch der gesamte Fernwanderweg der Hermannshöhen sein Ende gefunden haben.

Zuvor aber geht es auf Essentho zu, einem weiteren Marsberger Ortsteil, wo in etwa das zweite Drittel bewältigt ist. Hier gelangten wir auf die Via Regia: Einer alten Militär- und Handelsstraße aus dem Römischen Reich, die in ihrer Glanzzeit - das muss man sich mal vorstellen - Moskau mit dem nordspanischen Santiago de Compostela verband.

Während es auf den zwei Kilometern, die wir diesem historischen Weg heute folgten, stetig bergab ging, kamen unterhalb des nach rechts abfallenden Hanges bald die Häuser von Marsberg in Sicht. Und je mehr wir an Höhe verloren, desto imposanter wuchs der dahinter liegende, fast an allen Seiten steil abfallende Eresberg empor.

Mit der Stadt erreichten wir kurz darauf auch die Diemel. An deren Ufer stießen wir zu unserer Überraschung auf eine Infotafel, die schon hier das offizielle Ende (oder eben den Beginn) der "Hermannshöhen" verkündete. Mit Obermarsberg nennt sie zwar den richtigen Ort, steht dafür aber definitiv an der falschen Stelle.

Tatsächlich hatte es über den exakten Start- und Zielpunkt in Marsberg schon während der Vorbereitung Widersprüchliches zu erfahren gegeben. Und da sich auch die Markierungen des Eggewegs hinter der Tafel fortsetzten, wurde uns schnell klar, warum das so war.

Dort, wo früher Franken an Sachsen grenzte und sich heute die Stiftskirche von Obermarsberg befindet, hoch oben auf dem Eresberg, verehrten die Sachsen als eines ihrer bedeutendsten Heiligtümer bis ins frühe Mittelalter die "Irminsul". Eine große Säule, die in der germanischen Mythologie den Weltenbaum symbolisiert und die von den Franken im Jahr 772 auf Veranlassung Karls des Großen zerstört wurde. Ein derart geschichtsträchtiger und geografisch bedeutsamer Ort ist im Zweifel natürlich der passendere Abschluss für einen so großartigen Wanderweg.

Letztlich war diese Frage aber irrelevant, denn da wir den Wagen ganz dort oben abgestellt hatten, mussten wir so oder so hinauf. Und das wurde noch einmal zu einem richtig brutalen Kraftakt. Anfangs noch dem moderaten Bülberg folgend, wechselten wir von der asphaltierten Straße auf einen verwilderten und extrem steilen Hangpfad. Er überquerte die Straße an einer späteren Stelle, aber nur, um sich anschließend über sieben Kehren noch weiter den Steilhang hochzuwinden.

Schließlich standen wir schweißgebadet oben und rangen nach Luft. Jetzt waren es nur noch wenige harmlose Meter: über einen kleinen Friedhof bis zur Stiftskirche und unter dem Benediktusbogen hindurch. Dort, an der Rolandstatue, machten wir dann wirklich den letzten Schritt einer fantastischen Wanderung, die uns über einen Zeitraum von zehn Monaten von Rheine aus - immer wieder ein Stück weiter - 226 Kilometer bis hierher nach Obermarsberg geführt hat. Mit tollen Eindrücken, herrlichen Landschaften und vielen schon jetzt wertvollen Erinnerungen.

Ein Relikt der Irminsul (oder besser das einer Nachbildung), die in den 1930er Jahren bei Grabungsarbeiten gefunden wurde, steht übrigens - wie ich in der Stiftskirche erfuhr - im Museum des Alten Rathauses. Viele Mythen und Legenden ranken sich bis heute um sie. Aber das alles sind (frei nach Michael Ende) natürlich andere Geschichten, und sollen ein andermal erzählt werden.

Startpunkt: Hardehauser Strßae, 33165 Lichtenau (Blankenrode)
Zielpunkt: Am Stift, 34431 Marsberg.