Der Rheinsteig - Mein großes Fazit



Drei Wochen nach meiner letzten Rheinsteig-Etappe sah ich einen guten Zeitpunkt gekommen, ein abschließendes Resümee zu ziehen. Natürlich schuf ich hierfür auch ein angemessenes Umfeld und schiffte zusammen mit meinem Schatz auf der „Goethe“ ein – einem historischen Schaufelradschiff, mit dem wir von Koblenz bis nach Rüdesheim fuhren und mehr als sechs Stunden lang die schönsten Abschnitte des Mittelrheins noch einmal lebendig werden ließen.

Über einen Zeitraum von sechs Monaten bin ich den gesamten Rheinsteig in 18 Etappen gewandert. Im fortgesetzten Verlauf habe ich dann wegen der stets länger werdenden Anreise meist zwei Etappen hintereinander absolviert und in Hotels übernachtet.

Alle Aussagen und Wertungen stellen meine persönliche Erfahrung dar und sind in keiner Weise von anderen beeinflusst.


Pluspunkte

 

(1) Die Abwechslung ⭐⭐⭐⭐⭐

Der Rheinsteig ist unglaublich vielseitig. In großen Teilen aus felsigen Hangpfaden und traumhaften Singletrails bestehend, bietet er gerade im Mittelrheintal eine grandiose Aussicht nach der anderen. Eindrucksvolle Burgen, Schlösser und Festungen geben sich nahezu die Klinke in die Hand. Eine weitere große kulturelle Rolle spielt der Weinanbau: Immer wieder führt der Weg auch mitten durch die Reben. Dazu gibt es viele bewaldete Bachtäler, die oft komplett ausgewandert werden, und auch der eine oder andere spektakuläre Berghang ist zu bewältigen.

Weite Hochebenen, wo der Weg oft durch Felder und Wiesen führt, sorgen für einen stimmungsvollen Kontrast und bieten sowohl im Westerwald als auch im Taunus viele traumhafte Fernblicke, teils über das Rheintal hinweg bis in die Eifel oder den Hunsrück hinein. Im Rheingau wechselt das Landschaftsbild dann vollkommen: weg von den schroffen Klippen, hin zu sanften Hügeln und - im Gegensatz zum Mittelrheintal - deutlich großflächigeren Weinbergen.

 

(2) Die Einsamkeit ⭐⭐⭐⭐

Ja, über weite Strecken hinweg bot mir der Rheinsteig ein wohltuendes Einsamkeitsgefühl. Da spielte es auch keine Rolle, wenn im Mittelrheintal von der tief unter mir verlaufenden Bahnstrecke immer wieder Geräusche entlangfahrender Güterzüge zu hören waren. 

Gelingen kann das aber nur, indem man keinesfalls an Wochenenden wandert und auch alle Feier- und „Brückentage“ vermeidet. Darauf habe ich bei der Planung meiner Etappen stets geachtet. Und jeder, der im Zweifel die Einsamkeit vorzieht, als sich möglicherweise inmitten einer Wanderkolonne wiederzufinden, sollte diesen Rat dringend beherzigen.

 

(3) Eine ausgezeichnete Verkehrsanbindung ⭐⭐⭐⭐

Die offizielle Einteilung von 21 Etappen habe ich (auch um die ÖPNV-Anbindung für mich zu optimieren) in 18 und dafür zum Teil etwas längere Teilstücke umgewandelt. So oder so bleibt es aber dabei, dass die rechte Rheinstrecke eine ausgezeichnete Grundlage dafür bietet, die Start- und Zielpunkte vieler Etappen unproblematisch zu erreichen. Nur in wenigen Fällen ist für weiter vom Rhein entfernt liegende Orte ein zusätzlicher Umstieg in einen Bus nötig.

 

(4) Die tadellose Beschilderung ⭐⭐⭐⭐⭐

Im Grunde hätte ich den gesamten Rheinsteig auch ohne Navigationsunterstützung wandern können. Wenn ich mich recht erinnere, hat es auf dem kompletten Weg allenfalls drei fragwürdige Abzweigungen gegeben, an denen die Beschilderung unklar war oder gefehlt hat. Angesichts der 320 Kilometer langen und vielerorts von außen schwer erreichbaren Route (und das gilt schließlich auch für die Wegescouts), wäre für die sonst absolut zuverlässige Wegweisung jeglicher Minuspunkt unangebracht.

Temporäre Umleitungen bei Weg-Sperrungen sind vor Ort meist genauso anschaulich beschrieben wie Alternativwege, über die bei Bedarf risikoreichere Abschnitte der Originalstrecke umgangen werden können. Ich jedenfalls habe mich an keiner Stelle unsicher gefühlt. 

 

(5) Die zahlreichen Schutzhütten ⭐⭐⭐

Ich habe sie nicht gezählt, doch entlang des Rheinsteigs dürfte es kaum weniger als 100 Schutzhütten geben - vom einfachen Unterstand bis zur wahrhaft luxuriösen Behausung. Die Abstände zwischen ihnen variieren aber teilweise sehr stark.


Minuspunkte

Der größte Minuspunkt des Rheinsteigs dürfte sein, dass er an Wochenenden als hoffnungslos überlaufen gilt. Das geht übereinstimmend aus vielen Dokumentationen hervor, in denen Youtuber über den Weg berichtet haben. Ich selbst hatte aber nie darunter zu leiden, da ich fast alle meine Etappen zwischen Montags und Donnerstags realisieren konnte und somit tatsächlich fast ausnahmslos von jeglichem Massenandrang verschont blieb. 


Was hat mir am besten gefallen?

Die Felsklippe Rossstein! Sie war zweifellos mein emotionaler Höhepunkt – vielleicht, weil sie so unerwartet da war und mir plötzlich einen so atemberaubenden Blick freigab, dass sich selbst die Loreley und ihr benachbarter Spitznack - wenn auch nur knapp - hinter ihr einreihen müssen.

Weitere Highlights:

⭐ Der Geisberg im Siebengebirge,
⭐ die Ruppertsklamm,
⭐ der Brömserkopf mit Blick auf die „Feindlichen Brüder“,
⭐ die Hindenburghöhe.


Was hat mir am wenigsten gefallen?

Wenn überhaupt, empfand ich die Passage zwischen Lorch und dem Teufelskadrich als den einzig erwähnenswerten Durchhänger. Die Wege auf diesem Abschnitt waren meist breit, boten wenig Aussicht und führten teils durch verwilderte und brachliegende Weinberge. In Anbetracht des überwältigend positiven Gesamteindrucks ist das aber Jammern auf hohem Niveau. Gleiches gilt für die (manchmal auch unvermeidlichen) Asphaltabschnitte.


Lohnt sich der Rheinsteig?

Ein uneingeschränktes Ja! ⭐⭐⭐⭐⭐
Er wird ein hohes Maß an Kraft und Ausdauer fordern, und beschenkt dafür mit unvergesslichen Momenten.
Die schönsten Eindrücke habe ich in einer musikalisch unterlegten  Bilderfolge zusammengestellt.